
Lexikon für Tumore & Krebserkrankungen
beim Hund
Dies ist eine Projektseite der Plattform Krebs beim Hund. Hier entsteht ein Lexikon und Wissenspool für Krebserkrankungen und Krebstherapien für Hunde. Es ist der ideale Ort, um Besuchern mehr Informationen zum Thema Krebs beim Hund und Hintergrund zu unserer Arbeit zu geben. Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung
Das Übergangszellkarzinom (ÜZK), auch Urothelkarzinom genannt, ist der häufigste maligne Tumor des unteren Harntrakts bei Hunden. In über 90 % der Fälle lokalisiert sich der Tumor in der Harnblase, vor allem im Bereich des Blasendreiecks (Trigonum), wo die Harnleiter und die Harnröhre in die Blase münden. Aufgrund dieser anatomisch sensiblen Lage ist der Tumor oft schwer chirurgisch zu entfernen. In einem kleineren Prozentsatz kann das ÜZK aber auch in der Harnröhre, den Harnleitern oder in der Niere (insbesondere dem Nierenbecken) auftreten. Eine Ausbreitung entlang der Schleimhautoberfläche oder eine Invasion in die Blasenwand sind typisch, und metastatische Streuungen - v. a. in Lymphknoten, Lunge, Leber und Knochen - treten im Verlauf häufig auf. Das Übergangszellkarzinom ist ein invasiver, lokal aggressiver Tumor, der sich durch eine hohe Zellteilungsrate und infiltratives Wachstum auszeichnet. In den meisten Fällen liegt beim Zeitpunkt der Diagnose bereits ein fortgeschrittenes Krankheitsstadium vor, was die Prognose erschwert. Eine frühzeitige Erkennung ist aufgrund unspezifischer Symptome und der langsam fortschreitenden Natur der Erkrankung oft schwierig.
Betroffene Hunde
Am häufigsten betroffen sind ältere Hunde, mit einem Durchschnittsalter von etwa 9 bis 11 Jahren zum Zeitpunkt der Diagnose. Es besteht eine deutlich höhere Prävalenz bei Hündinnen, wobei Rüden ebenfalls betroffen sein können. Bestimmte Hunderassen zeigen eine signifikant höhere Anfälligkeit, was auf genetische Faktoren hindeutet: Scottish Terrier (bis zu 20-fach erhöhtes Risiko), West Highland White Terrier, Shetland Sheepdog (Sheltie), Beagle, Wire Fox Terrier und American Eskimo Dog. Das Risiko für Scottish Terrier ist so signifikant erhöht, dass einige Studien einen Zusammenhang mit bestimmten genetischen Mutationen vermuten. Inzidenzunterschiede zwischen den Rassen lassen auch auf eine Beteiligung von erblichen Faktoren schließen.
Interview mit Dr. Deborah Knapp zum Screening von Scottish Terriern: https://vet.purdue.edu/wcorc/news/screening-scottish-terriers.php
Risikofaktoren
Die Ursachen des ÜZK beim Hund sind bislang nicht eindeutig geklärt, jedoch gibt es mehrere Hinweise auf multifaktorielle Einflüsse:
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Genetische Prädisposition: Besonders bei den genannten Risikorassen wurde eine familiäre Häufung festgestellt.
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Umwelttoxine: Der Kontakt mit Pestiziden (insbesondere Unkrautvernichtern wie Herbiziden), Insektiziden und anderen chemischen Substanzen im Haushalt oder Garten scheint das Risiko zu erhöhen. Eine US-Studie zeigte eine deutlich erhöhte ÜZK-Inzidenz bei Hunden, die regelmäßig mit Herbiziden behandelte Rasenflächen betreten.
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Chronische Blasenentzündungen und Reizungen: Wiederkehrende Harnwegsinfekte, sterile Blasenentzündungen oder Reizungen durch Struvitsteine und Inkontinenz könnten eine Rolle bei der Tumorentstehung spielen.
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Übergewicht: Adipöse Hunde zeigen eine leicht erhöhte Inzidenz, möglicherweise durch hormonelle und entzündliche Veränderungen.
Studie auf PubMed: "Identifizierung eines natürlich vorkommenden Hundemodells für die Früherkennung und Interventionsforschung bei hochgradigem Urothelkarzinom"
Welche sind die Symptome bei Blasentumoren?
Die Symptome des ÜZK ähneln oft denen einer Harnwegsinfektion, was die Diagnose erschweren kann:
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Schwierigkeiten beim Wasserlassen (Strangurie)
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Häufiges Urinieren in kleinen Mengen (Pollakisurie)
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Blut im Urin (Hämaturie)
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Unkontrollierter Harnabsatz (Inkontinenz)
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Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Lethargie
Da das Allgemeinbefinden oft lange Zeit ungestört bleibt, wird die Schwere der Erkrankung anfangs häufig unterschätzt.
Wie erfolgt die Diagnostik?
Die Diagnose des ÜZK erfordert eine Kombination aus verschiedenen Untersuchungen:
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Urinanalyse und Urinkultur: Nachweis von Blut und atypischen Zellen.
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Ultraschalluntersuchung: Identifikation von Tumoren im Harntrakt.
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Zystoskopie und Biopsie: Definitive Diagnose durch direkte Sicht und Gewebeentnahme.
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Bildgebende Verfahren: Röntgen, CT oder MRT zur Beurteilung von Metastasen und Tumorausbreitung.
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BRAF-Test: Ein wesentlicher Fortschritt in der Frühdiagnostik des Übergangszellkarzinoms ist der sogenannte BRAF-Test. Dieser molekulargenetische Test basiert auf dem Nachweis einer spezifischen Mutation (BRAF V595E), die bei etwa 85 % der Hunde mit ÜZK nachweisbar ist. Das Verfahren detektiert Tumor-DNA im Urin des Hundes. Dabei wird eine einzelne Punktmutation im BRAF-Gen nachgewiesen, welche die Aktivität von Tumorzellen beschreibt. Der Test ist nicht-invasiv, da lediglich eine Urinprobe benötigt wird – idealerweise eine sogenannte Mittelstrahlprobe. Der Test kann Tumorzellen im Urin bereits nachweisen, bevor klinisch sichtbare Tumore (z. B. in der Sonografie) identifizierbar sind. Das ist schonend und stressfrei für das Tier, da keine Sedation oder invasive Biopsie notwendig ist. Besonders hilfreich ist das bei Hunden mit Verdacht auf chronische Blasenentzündung, Inkontinenz oder therapieresistenter Zystitis. Es gibt aber auch Einschränkungen durch falsch-negative Ergebnisse: In ca. 10–15 % der Fälle liegt gar keine BRAF-Mutation vor – trotz ÜZK. Ein negativer Test schließt also einen Blasentumor nicht 100% sicher aus. Falsch-positive Ergebnisse kommen bei bakteriellen Harnwegsinfekten selten vor, sind aber auch möglich. Der Test ist also diagnoseunterstützend, ersetzt aber keine umfassende klinische Untersuchung, Bildgebung oder Zytologie/Histologie. Besonders sinnvoll ist der Test aber bei Hunden mit unklaren Harnwegsbeschwerden, bei Rassen mit genetischer Prädisposition oder als Verlaufskontrolle nach Diagnosestellung. Der BRAF-Test ist aktuell nur über spezielle Labore erhältlich (z. B. durch die Firma Antech Diagnostics) und erfordert eine gezielte Anforderung durch den Tierarzt.
Wie ist die Prognose für Blasenkrebs beim Hund?
Die Prognose bei einem ÜZK hängt stark vom Stadium der Erkrankung bei der Diagnose ab. Wichtige Prognosefaktoren sind die Lokalisation des Tumors, das Vorhandensein von Metastasen und die allgemeine Gesundheit des Hundes
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Ohne Behandlung beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung etwa 4–6 Monate.
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Mit adäquater Therapie kann die Lebenserwartung auf etwa 6–12 Monate verlängert werden.
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In einigen Fällen, insbesondere bei frühzeitiger Diagnose und Kombinationstherapien, kann die Lebenserwartung darüber hinausgehen.
Welches sind die tiermedizinischen Behandlungsmöglichkeiten?
Die medizinische Behandlung des Übergangszellkarzinoms (ÜZK) beim Hund gestaltet sich oft komplex, da der Tumor meist lokal aggressiv wächst und sich an schwer operierbaren Stellen wie dem Trigonum (Blasenhals) oder der Harnröhre befindet.
1. Chirurgische Therapie
Eine vollständige operative Entfernung des Tumors ist in vielen Fällen nicht möglich, da wichtige anatomische Strukturen wie Harnleiter, Blasenausgang oder Beckenorgane betroffen sind. Wenn eine Operation dennoch durchgeführt werden kann – z. B. bei einem peripher gelegenen Tumor – ist sie häufig nur palliativ oder debulking-orientiert. Eine vollständige Heilung durch Chirurgie ist selten. In spezialisierten Kliniken kann unter Umständen auch eine partielle Zystektomie (Blasenteilentfernung) versucht werden.
2. Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAIDs)
NSAIDs wie Piroxicam gehören zum Standard der konservativen Therapie. Studien zeigen, dass sie bei ca. 15–20 % der Hunde eine partielle Tumorverkleinerung bewirken und bei über 50 % eine Stabilisierung des Tumorwachstums. Sie wirken über die Hemmung des COX-2-Enzyms, das in Tumorzellen oft überexprimiert ist.
3. Chemotherapie
Chemotherapeutische Protokolle kommen insbesondere bei metastasierten oder fortgeschrittenen Tumoren zum Einsatz. Häufig verwendet werden Mitoxantron oder Carboplatin, entweder als Monotherapie oder in Kombination mit NSAIDs. Die Chemotherapie kann das Tumorwachstum verlangsamen und das Fortschreiten verzögern, ist aber in den meisten Fällen nicht kurativ.
4. Strahlentherapie
In spezialisierten onkologischen Zentren kann eine Bestrahlung des Tumors erfolgen. Diese wird meist palliativ eingesetzt – z. B. zur Schmerzlinderung oder zur Verbesserung der Harnpassage. Sie birgt jedoch Risiken, insbesondere im empfindlichen Bereich der Blase und umliegender Strukturen.
5. Interventionelle Maßnahmen
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Laserablation oder transurethrale Resektion: können bei Obstruktionen kurzfristige Erleichterung bringen.
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Harnröhrenstents: werden eingesetzt, wenn der Harnfluss behindert ist, besonders bei Rüden mit Tumoren in der prostatischen Urethra.
Wie wird die Medikation gewählt? (Wirkstoff + Handelsname)
Die medikamentöse Therapie beim ÜZK verfolgt in der Regel das Ziel, das Tumorwachstum zu hemmen, Symptome zu lindern und die Lebensqualität möglichst lange zu erhalten. Hier eine Auswahl häufiger Medikamente:
1. Piroxicam
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Wirkstoffklasse: Nichtsteroidales Antiphlogistikum (NSAID)
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Handelsnamen: Feldene® (Humanpräparat), in der Tiermedizin meist als Wirkstoff-Rezeptur
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Wirkung: Entzündungshemmend, schmerzlindernd, tumorhemmend durch COX-2-Hemmung
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Mögliche Nebenwirkungen: Magen-Darm-Beschwerden, Ulzera, Nierenbelastung
2. Deracoxib oder Firocoxib (Alternativen bei Piroxicam-Unverträglichkeit)
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Handelsnamen: Previcox® (Firocoxib), Deramaxx® (Deracoxib)
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Vorteil: selektivere COX-2-Hemmung, weniger Magennebenwirkungen
3. Mitoxantron
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Handelsnamen: Mitoxantron® (human-onkologisch)
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Wirkung: zytotoxisch – Hemmung der DNA-Synthese
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Anwendung: intravenös alle 3 Wochen, meist in Kombination mit Piroxicam
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Nebenwirkungen: Knochenmarkssuppression, gastrointestinale Symptome
4. Carboplatin
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Wirkstoffklasse: Platin-basierte Chemotherapie
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Handelsnamen: Paraplatin®
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Wirkung: DNA-Schädigung und Apoptose von Tumorzellen
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Mögliche Nebenwirkungen: Übelkeit, Neutropenie, selten Nierentoxizität
5. Chlorambucil
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Handelsname: Leukeran®
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Wirkung: Alkylierender Wirkstoff – besonders bei metronomischer Therapie eingesetzt
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Einsatz: in niedrig dosierten Langzeitprotokollen zur Tumorkontrolle
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Vorteil: orale Anwendung, vergleichsweise geringe Nebenwirkungen
Kombinationstherapien: Oft werden NSAIDs mit Chemotherapeutika kombiniert, um synergistische Effekte zu erzielen. Auch Wechselprotokolle mit Mitoxantron und Carboplatin sind möglich.
Naturheilkundliche Maßnahmen könnten ergänzend zur schulmedizinischen Behandlung eingesetzt werden, um das Immunsystem zu unterstützen, die Lebensqualität zu verbessern und eventuell das Tumorwachstum positiv zu beeinflussen.
1. Heilpilze (Mykotherapie): Pilze wie Coriolus versicolor, Agaricus blazei oder Reishi könnten immunmodulierende und zytotoxische Effekte haben. Sie würden möglicherweise die Wirkung anderer Therapien unterstützen und Nebenwirkungen mildern.
2. Curcumin (Kurkuma): Könnte durch seine entzündungshemmende und antioxidative Wirkung das Tumormilieu günstig beeinflussen. In Kombination mit Piperin kann die Bioverfügbarkeit gesteigert werden.
3. CBD-Öl: Cannabidiol kann bei Hunden schmerzlindernd, entzündungshemmend und appetitfördernd wirken. Es wäre denkbar, dass CBD die Lebensqualität verbessert – allerdings fehlen noch belastbare Studien zur Wirkung bei ÜZK.
4. Homöopathische und isopathische Präparate: In der biologischen Tiermedizin können Präparate wie Coenzyme compositum (Heel), Tumorkomplexe oder Lymphomyosot zur Regulation und Drainage des Körpers beitragen.
5. Ernährungstherapie: Eine proteinreiche, kohlenhydratarme Ernährung mit hochwertigen Fetten könnte das Tumorwachstum hemmen, da viele Tumoren auf Glukose angewiesen sind. Die Zugabe von Omega-3-Fettsäuren (z. B. aus Fischöl) könnte entzündungshemmend wirken.
6. Traditionelle Chinesische Medizin (TCM): Kräuter wie Bai Hua She She Cao (Hedyotis), San Leng und E Zhu werden in der TCM bei Tumorerkrankungen eingesetzt.Sie können dabei helfen, die Tumorlast zu senken, die Durchblutung zu fördern und Entzündungen zu reduzieren.
7. Misteltherapie: Die Misteltherapie findet in der Krebstherapie bei Hunden Anwendung, um das Immunsystem zu stabilisieren und das Fortschreiten des Tumors zu verlangsamen. Die in der Mistel enthaltenen Wirkstoffe – vor allem Viscotoxine – sollen dabei direkt auf Tumorzellen wirken, die körpereigene Abwehr stimulieren und entzündliche Prozesse eindämmen. In der tiermedizinischen Praxis wird die Mistel meist subkutan injiziert, teils auch begleitend zu anderen Therapieformen wie Chemotherapie oder im Anschluss an eine Bestrahlung eingesetzt.
Wichtig: Alle naturheilkundlichen Maßnahmen sollten ausschließlich begleitend zur schulmedizinischen Therapie und immer in Rücksprache mit dem behandelnden Tierarzt oder Tierheilpraktiker erfolgen. Wechselwirkungen und Kontraindikationen sind unbedingt zu beachten.
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